Neues Narren-Format in Bingen überzeugt

[AZ-Bingen Jochen Werner] Erst schunkeln, dann tanzen: Der TuS Büdesheim hatte zur Gala-Sitzung geladen. Nach Politik-Kritik, Kokolores und Ballett feierten die frohsinnig gestimmten Gäste ausgelassen. 

BÜDESHEIM. Kappensitzung meets Tanzball. Eine Woche nach der Familiensitzung rockte der TuS als größter Verein des größten Stadtteils ein zweites Mal die altehrwürdige Büdesheimer Turnhalle. Diesmal allerdings in neuem Format, mit über 100 Gästen an Zehner-Tischgruppen, in Verkleidung oder im feinen Zwirn. Mit einem Glas Sekt und ersten Appetithäppchen zur Begrüßung. Mit speziellen Tapas-Angeboten zur Verköstigung. Mit einem Elferrat, der vor allem aus Ehrenkomiteetern bestand. Mit verkürztem Programm und eben mit der Gelegenheit, nach knapp drei Sitzfleisch strapazierenden Stunden noch gehörig das Tanzbein zu schwingen.

EHRUNG

Rexana Zimmer zeichnete als Präsidentin der Föderation Europäischer Narren (FEN) die langjährigen TuS-Aktiven Svenja Petry und Marc Gundlach mit dem „Narr von Europa“ in Bronze aus.

Politik

Heinz-Jürgen Rothe ist beim TuS seit vielen Jahren der Chef des Protokolls. Selten hatte er so viele Themen auf der Agenda wie in diesem Jahr, und entsprechend präsentierte er sich in Hochform. Schon die Begrüßung der „Närrinnende, Narrhallesende und Elferratende“ war extrem genau gegendert. Da blieb nur eine Frage: „Quo vadis, Sprache? Wo führt das noch hin?“ Weiter zu Wirecard und Cum-Ex-Verbindungen zu einem „schläfrigen, behäbigen und ruhigen“ Kanzler, „Erklär-Bär“ Robert Habeck, „Rohrkrepierer“ Christine Lamprecht. Die Verbindung nach Bingen gelang über Michael Ebling und die Auflagen, „die Fastnacht vielfach unmöglich machen.“ Und für die Binger Lösung in Sachen Stadtwerken mit gestiegenen Wasserpreisen, weil die Busbetriebe im Minus sind, hatte er die Antwort: „Duscht länger, ihr Leut, damit die Busse fahren!“

Als „Kleiner Mann“ spuckte Carsten Schröder so manchem Großen in die Suppe. Denn dass auf die einfachen Bürger mehr Verlass ist als auf politische Großkopferte, zeigte etwa die Ahrflut. Lasershow und Weinprobe am Winzerfest, bei der keine zehn Karten für das breite Publikum blieben. Coronavirus-Testverordnung und „Worscht-Fettkopp“ Putin. Dazu die Inflation, die es nach den Erklärungen des „schlauen Wirtschaftsministers“ nicht gibt. Schröder blieb nur der Dank für all die Blumen, die dem Bürger geschenkt werden.

Zur Garde der politischen Redner gesellte sich Thomas Backes. Der Chef der Dietersheimer Fassenachter proklamierte als Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Ende der Pandemie, gab zudem hanebüchene Tipps fürs richtige Verhalten in der fünften Jahreszeit.

Kokolores

Auf der Suche nach einem Platz im Elferrat gaben sich Eberhard Röthgen und Jonathan Spanier als Gäste die Ehre. Absolut haarsträubend waren Vortrag und schauspielerische Leistung von Maximilian Haase, die vergessliche Oma mit Kittelschürze, für die schon die acht Stufen zum Glück auf die Bühne eine beschwerliche Sache waren. Die Schritte zählende „Apfel-Uhr“ am Fußgelenk und das Netz immer in der Tasche besang er, wie er die Narrhalla erreicht hatte, frei nach Layla: „Ich fahr mi’m Bus, und mein Busfahrer heißt Heiner!“ Der Urlaub mit dem Enkel in Ägypten klappte auch, schließlich war die Oma früher Funkenmariechen.

Musik

Für Begleitung und Tanzmusik hinterher stand das Duo „Klara und Benny“. Die Stimmungskönige des Abends waren zum Programmabschluss ein besonderes TuS-Glanzstück: Die vor fünf Jahren ins Leben gerufenen „Seestecher“ mit Frontfrau Lea Funk rockten den Saal musikalisch so, als ob es Corona nie gegeben hätte.

Tanz

Klassisch, klar, ohne Schnörkel. Die Garde wurde ihrem guten Ruf gerecht. Genauso wie später im Showtanz zu bekannten Musical-Hits. Alle Ideen kommen aus der Gruppe heraus. Mit Unterstützung von Bruder Lukas wurde die Kür von Funkenmariechen Alina Wenselau (Michaela Wenselau) zum umjubelten Auftritt. Bei zehn Engeln einmal Amor spielen. Die Showtanzgruppe Impuls (Kayleigh Klingler, Stefanie Dietrich) brachte himmlische Zustände auf die Bühne.

Fazit

Die Gala als neues Format konnte überzeugen. Carsten Schröder hatte in seinem 14. Jahr als Sitzungspräsident Programm und Halle im Griff. Da durfte es während seines Vortrags auch schon mal ein Kommentar gegenüber einem ausnahmsweise lauten Tisch im sonst erfreulich dankbar-aufmerksamen Auditorium sein. Während er in der Bütt stand, hatten die Ehrenkomiteeter die Macht, war Zeit für kurze Rückblicke in die letzten Jahrzehnte der TuS-Fastnacht. Kurzum: Der Spaß für alle stand im Vordergrund. So, wie es sein soll.

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